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SELBST- verständlich

SELBST- verständlich

Als ich zum ersten Mal Mama wurde, wollte ich vor allem EINES. Nein, nicht nur ich. WIR. Mein Mann und ich. Wir wollten es perfekt machen. RICHTIG. Immerhin trugen wir die Verantwortung für dieses kleine Wesen, das da in meinem Bauch heran wuchs und immerhin fühlten wir uns – ausgestattet mit all dem angesammelten Wissen – gut gewappnet, für diesen neuen Lebensabschnitt, der da auf uns wartete.

Die ersten Bücher rund um das achtsame Begleiten kleiner Menschen hatte ich zu einer Zeit gelesen, wo das Thema Mama werden für mich noch gar nicht aktuell war.
Reines Interesse?
Ja. Und nein. Denn mehr noch war es für mich die intensive Suche nach Antworten. Antworten auf Fragen, die mich in Bezug auf das Heranwachsen kleiner Menschen seit meiner eigenen Jugendzeit beschäftigten.
Jean Liedloff, Emmi Pikler, Alice Miller, Maria Montessori, Rebecca Wild, John Holt, Ashley Montague, William Sears, … Nur, um ein paar wenige AutorInnen zu nennen, deren Bücher ich mehr oder weniger verschlungen habe und die mir endlich die Antworten gaben, die mich berührten und spüren ließen, dass da etwas dran war, an ihren Worten.
Und dann waren da noch die Ausbildungen, Weiterbildungen, Fortbildungen, all die Seminare und Vorträge die wir besucht, die Gespräche die wir geführt hatten. Aus beruflichen Gründen.
Also, was sollte uns passieren?
Mit all dem Wissen im Gepäck, würden wir doch nichts falsch machen können?
Schon gar nicht, wenn wir alles genau so machten, wie wir es gelernt hatten und wie es in den Büchern stand …


Das erste Mal stand ich meinem eigenen Perfektionismus wenige Tage nach der Geburt gegenüber. Das mit dem „nie weinen wenn ich nur, … “ klappte ebenso wenig wie das mit dem „Windelfrei“. Letzteres zumindest nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte. (Ein paar Mal geht es daneben und dann haben wir den Dreh raus und keine nassen Hosen mehr – nie wieder). Und doch war diese Begegnung mit mir selbst und meinen eigenen Ansprüchen nicht wirklich ausreichend um mich … oder auch uns, erkennen zu lassen. Denn trotz allem, trotz der Zweifel und Unsicherheiten, klappte es irgendwie ganz gut mit unserer Ältesten.
Und mit einem Kind ist es – im Nachhinein betrachtet – gerade in den ersten Lebensmonaten unglaublich einfach dieses ALLES zu geben, was man geben möchte. Einfach zu tun und zu geben, ohne Rücksicht auf (eigene) Verluste und sich mehr oder weniger dabei selbst aufzugeben. Es war also wenig verwunderlich, dass wir uns für das Abendteuer „2. Kind“ gut gerüstet fühlten.
Was sollte schon schief gehen?
Elternsein konnten wir doch …

Es ist das Stolpern, das uns erkennen lässt …

Wenige Wochen später saß ich da. Nachts. Unglaublich müde und erschöpft, mit einem Baby am Arm, das einfach nicht schlafen konnte, voller Zweifel darüber, die richtige Entscheidung getroffen zu haben und einem unendlich schlechten Gewissen, meinen Kindern gegenüber. Der Großen, weil ich das Gefühl hatte, ihr nicht mehr genug geben zu können und dem Kleinen gegenüber, weil ich das Gefühl hatte, ihm nie und nimmer gerecht werden zu können. Seine Unruhe, seine Tränen, sein abendliches Weinen, all das sah ich als Bestätigung dafür, es definitiv falsch und vor allem auch schlecht zu machen.
Dabei gab ich ALLES. Ich nahm mir Zeit, ich hörte zu, ich erfüllte Bedürfnisse, ich versuchte gleichzeitig für den Kleinen und die Große da zu sein, ich versuchte ihr nach wie vor all das zu geben, was sie die Jahre davor bekommen hatte und noch mehr, weil da doch jetzt das kleine Brüderchen da war und weil ich verhindern wollte, dass sie sich dadurch benachteiligt fühlte …. Und dennoch, war es nicht genug.
Dennoch gab es die täglichen Wutanfälle, die Tränen, meine Müdigkeit, die Streitereien, die wir als Paar durchlebten, die unruhigen Abende, den Frust über all das … und vor allem auch die Überzeugung, dass sich nur im Außen ein bisschen etwas verändern müsste, damit es uns allen besser gehen würde. Es gab entspannte Momente, in denen ich meine Zweifel nicht verstehen konnte und chaotische Momente, in denen ich herauszufinden versuchte, was wir nun falsch gemacht hatten, dass es so chaotisch war. Und es gab zig Momente in denen ich nach Gründen suchte, für DAS, wie es war.
Wenn ich nicht so oft alleine wäre mit den Kindern, wenn wir ein größeres Haus hätten, wenn mein Mann mehr zuhause wäre, wenn der Kleine nicht so unruhig wäre, wenn ich nicht so müde wäre, wenn ich nur noch ein bisschen mehr geben würde , noch besser auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen würde, …
wenn wir mehr Zeit als Paar hätten, wenn da jemand wäre, der uns mehr unterstützen würde, wenn, die Angebote für unsere Ältere spannender wären, wenn, wenn, wenn …

Ein Teufelskreis … wie man so schön sagt
Ein Teufelskreis aus Erwartungen und Forderungen, die man an sich selbst stellt. Ein Teufelskreis aus immer höher gesetzten Maßstäben, aus Unzufriedenheit und der Überzeugung, dass man doch nur noch ein bisschen mehr geben müsste …. und dem immer größer werdenden Frust darüber, dass man es nicht schafft.
Diesen Teufelskreis zu unterbrechen oder gar daraus auszubrechen ist unglaublich schwer. Denn es braucht mehr, als immer größere Erwartungen in sich selbst und die ewig guten Vorsätze, die diese im Gepäck tragen. Es braucht mehr, als Druck, den man auf sich selbst ausübt und die Suche nach der Verantwortung oder auch den Schuldigen, im Außen. Und es braucht wesentlich mehr, als sich abermals unter Druck zu setzen, den Teufelskreis endlich zu verlassen.
Denn dieses MEHR, das es braucht, müssen wir erst einmal erkennen. Wir müssen erst einmal loslassen und vertrauen lernen, erst einmal innehalten und zu uns selbst zurück finden …

Der Wendepunkt
Der Wendepunkt in unserem eigenen Familiendasein kam genau dort, wo man eigentlich nicht sein möchte. Am Tiefpunkt und dort, wo wir wussten, dass es so wie es war nicht weitergehen konnte, wir so definitiv nicht weitermachen wollten und wir etwas ändern mussten, um als Paar und als Familie weitergehen zu können. Es war der Punkt, wo wir für uns erkannten, dass wir loslassen und bei uns selbst beginnen mussten, damit sich etwas änderte und das wir uns unseres SELBST wieder bewusster werden mussten. Und es war der Punkt, an dem ein ziemlich schmerzhafter und gleichermaßen erleichternder, wie auch bereichernder Prozess begann, der uns nicht nur als Paar, sondern auch als Familie wachsen und im Endeffekt das „Authentic Parenting Prinzip“ entstehen ließ.

Heute erleben wir genau diese und ähnliche Ausgangssituationen in unseren Begleitungen ganz oft. Dieses Streben nach Perfektion. Dieses übergroße Bedürfnis alles richtig machen zu wollen, den kleinen Menschen ALLES und noch mehr zu geben, die damit einhergehende Selbstaufgabe und die Zusammenbrüche. Aber VOR ALLEM, den Verlust der SELBST-Verständlichkeit für unser eigenes SEIN.

Der SELBST-Verständlichkeit
Im Grunde ist es – wie immer – recht einfach. Wir lernen dieses ICH, mit dem wir unser Leben verbringen im Laufe unseres Heranwachsens kennen. Wir be-greifen, wer wir sind, entwickeln ein ICH-Bewusstsein und daraus die SELBST-Verständlichkeit, durch das ERLEBEN unseres SELBST, aber auch durch das ERLEBEN der Erwachsenen in ihrer SELBST-Verständlichkeit. Eigentlich.
Denn „uneigentlich“, steht dieser Entwicklung in unserer Gesellschaft (seit Jahrhunderten) ein Umgang mit sich selbst und mit dem kleinen Menschen gegenüber, der diesen an seinem SELBST und den damit einhergehenden Empfindungen zweifeln lässt. Denn ganz oft steht das Erleben und Empfinden kleiner Menschen im extremen Kontrast zu dem, was die Erwachsenen, denen er glaubt und vertraut, in seinem Umfeld meinen, sagen oder auch tun. In Bezug auf sich selbst aber auch in Bezug auf das SEIN des kleinen Menschen. Die daraus resultierende Zerrissenheit ist enorm. Weil kleine Menschen aber fest davon überzeugt sind, dass die Erwachsenen denen sie glauben und denen sie vertrauen zweifelsfrei RICHTIG liegen, beginnen sie ihr SELBST nach und nach zu leugnen, die eigenen Empfindungen in sich zu vergraben und sich im schlimmsten Fall als „falsch“ zu empfinden.
Die SELBSTVERSTÄNDLICHKEIT, die uns eigentlich in Bezug auf unser ICH angeboren ist und die nach und nach zu einem gesunden Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen heranreifen sollte, geht dadurch verloren. Und wird durch die Orientierung an Maßstäben, Erwartungen, Meinungen, etc. … ersetzt.

Eine Prägung, die uns begleitet und sich im Grunde quer durch unsere Gesellschaft zieht. Und eine, die sich durch die Prägung der leistungsorientierten Gesellschaft, in die wir geboren und in der wir aufgewachsen sind, noch potenziert.
Schließlich wollen wir alles richtig und gut machen.
Und schließlich und endlich wollen wir geliebt, geachtet und wertgeschätzt werden.
Auch … oder gerade in unserem ELTERNSEIN.
Und auch dann, wenn es unserem eigenen Empfinden vielleicht widerspricht.

Der WEG zurück
Zu sich selbst und der Selbst-Verständlichkeit, die kleine Menschen von uns brauchen. Um gut in ihrem eigenen SEIN anzukommen und ihren WEG Zu finden.
Doch wie finden wir zu uns selbst zurück?
Wie lernen wir, unserem SELBST wieder zu vertrauen und in unsere SEIN und AGIEREN selbst-verständlich zu sein?
Denn gerade das Fehlen unserer SELBST-Verständlichkeit zeigt sich so oft und deutlich im Verhalten des kleinen Menschen, in seinen RE-Aktionen, seiner WUT und seiner Abwehrhaltung uns gegenüber. Gerade dieses Fehlen, lässt und recht schnell und zuverlässig stolpern.
Über unsere eigenen Erwartungen, in der Orientierung an unserem Kind und in unserer Suche nach Bestätigung an seinem Verhalten.

Zuallererst braucht es das ERKENNEN.
Das Erkennen der eigenen Zerrissenheit, des Verlustes der eigenen SELBST-Verständlichkeit und dem fortwährendem Streben danach, ES richtig … oder auch den ANDEREN recht zu machen. Es braucht das ERKENNEN des eigenen SEINS und das Wiederfinden der eigenen Empfindungen. Aber mehr noch braucht es die Bereitschaft kleine Schritte zu gehen und sich Stück für Stück das eigene SEIN wieder zurück zu erobern. Beziehungsweise, das SEIN dürfen.
Es braucht die bewusste Entscheidung, alte Muster los zu lassen, das tiefe durchatmen, das sich spüren und das mutig sein. Und vor allem braucht es das Erkennen, dass es okay ist, zu sein, wer man selbst ist.

Und dann?
Dann dürfen wir unserem Herzen zuhören und in jedem Augenblick wieder – mit dem erwachsenen Blick auf das was ist – Entscheidungen treffen und selbst-verständlich agieren.
Was das heißt?
Sich nicht an dem zu orientieren, was Konzepte meinen oder daran, was die anderen TUN und auch nicht an diesem komischen Parameter, den wir in unseren Köpfen erschaffen haben. Der, der die Messlatte ganz hoch ansetzt und mit dem wir uns weiszumachen versuchen, dass unsere Kinder nur dann glücklich und zufrieden sind, wenn sie nie weinen oder wütend sind.
Sondern?
Indem wir zu einem Leuchtturm im sicheren Hafen werden, der zuversichtlich und zuverlässig mit einem guten Blick auf das was wirklich hilfreich ist, agiert. Einem Leuchtturm, der ganz selbstverständlich DA ist, gleich welcher Sturm gerade tobt und der darauf vertraut, dass sein Licht unermüdlich den Weg in den Hafen leuchtet. Statt daran zu zweifeln ob er auf die „richtige“ Art und Weise leuchtet oder ob er nicht besser in einer anderen Farbe leuchten oder doch lieber das Licht an ein Boot hängen und zum Kind in den Sturm fahren oder vielleicht nicht durchgehend leuchten sondern blinken sollte, oder oder oder … Denn so in etwa agieren wir, wenn wir nicht auf unser Herz hören und nicht SELBST-Verständlich sind (und agieren), sondern immer darauf achten was nun möglicherweise das einzige RICHTIG und was PERFEKT ist …

Elternsein, heißt eben nicht, uns selbst aufzugeben und uns in unserem Streben nach Perfektion und RICHTIGKEIT zu verlieren, sondern uns auf uns selbst, unsere eigenen Prägungen und Erfahrungen und auf die kleinen Menschen, die wir begleiten dürfen, einzulassen. Es heißt HINGABE zu leben, bei sich selbst zu bleiben und vor allem auch zu VERTRAUEN. Sich selbst, dem eigenen SEIN und EMPFINDEN und den kleinen MENSCHEN an unserer Seite.

Kommentare: 1

  1. Heidi sagt:

    Merci für diesen Artikel. Tausend Danke….genau so ist es!
    no en schöne summer Liebi Grüess

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