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Grenz (erfahrungs) Spiele

Grenz (erfahrungs) Spiele

Es ist der Blick. Dieser eine Blick, der ganz klar zeigt, dass meine Worte verstanden wurden.
Und es ist das leise Lächeln. Dieses Lächeln, das mit den ganz bestimmten Fragen im Gepäck.

Und was, wenn doch?
Was, wenn ich deinen Worten jetzt nicht zuhöre?
Wenn ich dennoch weitermache?
Und dann?
Was machst du dann?
Was passiert, wenn ich nicht aufhöre?

Als Eltern haben wir gerne bestimmte Ideen über die Auswirkungen unserer Begleitart. Oft und öfters sind wir überzeugt davon, das, wenn wir ALLES richtig machen – beispielsweise achtsam und liebevoll und bedürfnisorientiert und vertrauensvoll …. begleiten – gar nichts schief gehen kann. Das, genau dann, das Familienklima immer schön, die lieben Kleinen immer glücklich und Stürme eine lästige Erfahrung anderer sind, die uns nicht droht.
Und wenn sie dann doch einmal aufziehen, die dunklen Wolken und ein Sturm droht, wenn das Familienklima alles andere als heiter bis wolkenlos ist, stellen wir nicht etwa unsere Überzeugung in Frage, sondern gehen davon aus, etwas falsch gemacht zu haben.
Etwas oder alles …

Von unnötig bis schrecklich
Eine dieser Überzeugungen, die uns im Alltag als Familienbegleiter recht häufig begegnen, hat mit Grenzen zu tun. Grenzen, von denen die einen meinen, dass sie absolut wichtig und dringend nötig seien für die Kleinen. Mehr noch, dass diese sogar eingefordert werden würden von ihnen. Und Grenzen, von denen die anderen meinen, dass sie vollkommen unnötig, überflüssig oder auch schlicht und einfach nur schrecklich seien, für den kleinen Menschen …

Also was nun: No go oder doch irgendwie wichtig?

Zuallererst einmal: Grenze ist nicht gleich Grenze. Oder: Warum es so wichtig ist zu unterscheiden.

Von welchen Grenzen sprechen wir eigentlich, wenn wir von Grenzen sprechen? Sprechen wir von den individuellen Grenzen des Einzelnen? Sprechen wir von natürlichen, unverrückbaren Grenzen? Oder doch eher von den autoritär gesetzten, teils willkürlichen und oft auch verletzenden Grenzen?
Diese Drei gilt es zuallererst einmal zu unterscheiden. Das Letztere – die autoritär gesetzten, willkürlichen, misstrauenden und teils verletzenden Grenzen – in einer achtsamen und liebevollen Begleitung nichts zu suchen haben, versteht sich wohl von selbst.

Doch was ist mit den anderen Grenzen?
Und was ist mit diesen speziellen Momenten, die im Zusammenleben mit kleinen Menschen unweigerlich kommen? Diese Momente, wie eingangs beschrieben, wo unsere Worte nicht gehört und mit einem leisen Lächeln ignoriert bzw. auf die Probe gestellt werden?

Zunächst einmal zu den „anderen“ Grenzen. Den individuellen und den natürlichen. Beide sind wichtige und wesentliche Bestandteile unseres Zusammenlebens.
Wo sich die natürlichen nicht verschieben, verändern oder gar ignorieren lassen, sind die individuellen Grenzen jene, denen wir uns zuwenden müssen, denn sie sind wichtig. In jeder Beziehung und vor allem oder gerade in der Eltern-Kind-Beziehung unendlich wichtig. Für und uns für den kleinen Menschen.

Meine Grenze – deine Grenze
Was viele Menschen beim Wort „Grenzen“ triggert, ist das autoritäre dahinter ebenso, wie der Missbrauch von Macht. Die individuelle Erfahrung von Grenzen in Beziehungen, insbesondere in der eigenen Erziehungserfahrung, spielen hier eine große Rolle und machen es nicht wenigen Erwachsenen beinahe unmöglich, eine neutrale Sicht auf das Thema zu haben.
Hier den Blickwinkel zu verändern und vor allem die Differenzierung zu betrachten, ist ein wesentlicher und wichtiger Schritt in Richtung Klarheit.
Denn ja – kleinen Menschen brauchen Grenzen. Doch nicht so, wie in der herkömmlichen Sicht von Erziehung gerne dargestellt wird – sprich, in Form von willkürlich gesetzten, autoritären Grenzen, sondern in Form vom authentischen und gleichzeitig angemessenen Zeigen der individuellen Grenzen.
Denn erst durch das Erleben der Grenze des anderen (des Gegenübers) rücken die eigenen Grenzen beim kleinen Menschen mehr und mehr ins Bewusstsein und können angenommen werden. (SEIN DÜRFEN!!!)

Grenzerfahrung ohne gehts irgendwie nicht
Das Erleben von Berührung ist eine der ersten Grenzerfahrungen, die wir in unserem Dasein machen. Bereits in der pränatalen Phase erleben wir Grenzen und Begrenzung. Im ersten Lebensjahr ist das positive Erleben von Körperkontakt, Nähe und Berührung jene Erfahrung die uns dabei hilft, unsere Haut als Abgrenzung zur Außenwelt (positiv) zu erleben und ein gesundes ICH-Bewusstsein zu entwickeln. Wobei natürlich auch das eigene ERLEBEN und BE-GREIFEN eine wesentliche Rolle spielt.
Danach kommt das Streben nach Selbstständigkeit, welches vom bewussten ERLEBEN des ICHs angefeuert wird …
Und dieses kleine ICH fühlt sich im Augenblick des bewusst Werdens unglaublich mächtig und riesig an. Umso größer ist in solchen Augenblicken dann die WUT, wenn das WOLLEN durch gegebene, natürliche oder auch individuelle Grenzen einfach mal eben gebremst wird.
Trotzphase … wird das auch gerne genannt. Ein Ausdruck, der nicht unpassender sein könnte. Denn die immer und immer wieder aufflammende Wut, hat nichts mit Trotz zu tun, sondern mit dem bewussten Erleben von Grenzen, dem nicht begreifen wollen und dem daraus resultierenden Frust, der Wut, den Tränen, …
Es sind meist die ersten herausfordernden Zeiten, die wir da mit dem kleinen Wesen erleben, welches von einem Sturm in den nächsten schlittert, eine Grenze nach der anderen erlebt und erkennen muss, dass die Macht des ICHs begrenzt ist … Es sind Grenzerfahrungen, die unsere achtsame und liebevolle Begleitung brauchen, damit sie auf eine hilfreiche Art und Weise zur weiteren Entwicklung genutzt werden können.
Und dann kommt es …

Das Spiel … mit den Grenzen
Ja, aber das kann doch nicht sein.
Das ist doch nur so ein Erziehungsmärchen, dass Kinder Grenzen austesten …
Mein Kind tut so etwas nicht … dazu hat es doch gar keinen Grund

Oh doch.
Hat es.
Nicht, weil es ein von Grund auf schlechtes Wesen ist, sondern weil die Weiterentwicklung seines Geistes und SEINs genau das braucht. Das Spiel mit den Grenzen, das Infrage-Stellen, das Ausprobieren, das Fühlen, das Erkennen, das Wahrnehmen …
Und ja, es ist ein Spiel.
Eines von Vielen, welche von Kindern angewandt werden, um auf allen Ebenen verstehen zu können.
Eines, was sich sehr gut und so oft beobachten lässt.
Eines, dass unsere Klarheit (heraus)fordert … und unser authentisches SEIN, wie auch (angemessene) Rückmelden.
Und eines aber auch, was unser Aufgreifen und Mitspielen braucht, damit daraus das Verstehen reifen kann.

Das Verstehen der Grenzen und Gefühle anderer beispielsweise.
Oder auch das Verstehen von Regeln und ihrer Notwendigkeit für das Miteinander.

Kommentare: 3

  1. Johanna sagt:

    Liebe Lini,

    danke für diese wertvollen Zeilen. Ich lese gerne darüber, kann gut nachvollziehen, was du schreibst, und empfinde es als stimmig und wahr.
    In der Theorie kann ich oft so klar differenzieren, nur in der Praxis ist es dann oft einiges verschwommener und diffuser. Das Innehalten, Hinspüren und Wahrnehmen im Alltag ist für mich immer wieder eine Herausforderung. Eine Praxis, die geübt werden will bzw wohl stetiger Übung bedarf… Denn einerseits, finde ich es spannend, wie befreiend und lösend es ist, wenn es mir gelingt, da wo ich es bisher nicht gewohnt war, achtsam mit meinen persönlichen Grenzen umzugehen, sie einzuhalten und zu sehen, was das im Miteinander bewirken kann. Und andererseits, überrascht es mich immer wieder, dass ich trotz dieser Erfahrungswerte und Erfolgserlebnisse, es nicht automatisch überall anwende, sondern immer wieder neu darauf kommen muss. Naja müssen.. Eigentlich ist es ja notwenig, dass hilfreiche, wertvolle Herangehensweisen sich erst einmal immer wieder bewähren müssen im Alltag, um sie so immer mehr zu verinnerlichen, bis man sie automatisch anwendet, ohne nachzudenken. Sonst würde man ja viel weniger Hilfreiches genau so integrieren. Das wäre äußerst unpraktisch.;) Also: Ich muss nicht erkennen, ich darf erkennen, dass es sich im Familienzusammenleben bewährt meine persönlichen Grenzen zu wahren. Und das schwierigste ist für mich dann wohl, mich dabei in Geduld zu üben. Geduld für die Diskrepanz zwischen der Geschwindigkeit des rationalen Verstehens der Theorie und der dagegen endlos wirkenden Zeit, die es im Alltag für die persönliche Erfahrung braucht. Die aber dafür dann zu dem wesentlichen Verstehen, dem Verstehen mit dem Herzen, führt…
    Da passt das Zitat vom kleinen Prinzen dazu: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“

    Wo ich hängen geblieben bin, ist da wo du über die Trotzphase schreibst: „…dem bewussten Erleben von Grenzen, dem nicht begreifen wollen…“
    Wieso meinst du, wollen sie nicht begreifen? Weil es für sie unbequem ist? Aber ist es nicht vielleicht ein innerer Zwiespalt für sie? Begreifen wollen, aber merken, dass das unbequem ist?

    Danke auf jeden Fall für das Festhalten und Ausformulieren dieser bedeutenden und wesentlichen Aspekte und Anhaltspunkte fürs Familienleben und das Hinführen zu den eigenen Entwicklungsmöglichkeiten und -perspektiven innerhalb dessen. 🙂

    • Johanna sagt:

      He, das hat überhaupt keine Absätze übernommen!

    • lini345admin sagt:

      Liebe Johanna,
      danke für deine Rückmeldung.

      bzgl. deiner Frage: „Wo ich hängen geblieben bin, ist da wo du über die Trotzphase schreibst: „…dem bewussten Erleben von Grenzen, dem nicht begreifen wollen…“
      Wieso meinst du, wollen sie nicht begreifen? Weil es für sie unbequem ist? Aber ist es nicht vielleicht ein innerer Zwiespalt für sie? Begreifen wollen, aber merken, dass das unbequem ist?“

      Der Wille ist zu der Zeit übergroß. Die Kleinen fühlen sich mehr oder weniger „mächtig“ und haben das Gefühl „ALLES“ zu können – dem Gegenüber stehen die natürlichen oder auch indivduellen Grenzen. Das macht sie wütend und zornig. Sie wollen aber … Kennst du diesen Moment, wo sie schreien und quietschen und aufstampfen oder sich auf den Boden fallen lassen oder auch immer weiter probieren – nicht nur im gleichen Augenblick, sondern oft über viele Wochen hinweg … genau das meine ich mit dem „nicht begreifen wollen“. Das Begreifen, kommt erst viel, viel später.
      Ist für uns als Eltern nicht immer einfach und oft stehen wir in solchen Momenten selbst an einer Grenze … doch umso befreiender ist das Gefühl, hier wirklich durch zu begleiten statt ebenfalls dagegen an zu kämpfen.

      glg
      Lini

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