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(Bildungs)Krise als Chance

(Bildungs)Krise als Chance

Ein bisschen weit hergeholt, hier, in der aktuellen Situation auch noch von Bildungskrise zu sprechen, oder?
Oder auch nicht.
Denn plötzlich steht alles Kopf. Plötzlich hat sich die Ausgangssituation gänzlich verändert. Und mit großer Wahrscheinlichkeit müssen wir uns, in naher Zukunft nicht nur Gedanken darüber machen, wie es wirtschaftlich weiter geht.

Wer hätte das gedacht!
Normalität hat momentan eine neue Definition bekommen. Was vor wenigen Wochen noch unvorstellbar schien, ist Realität geworden. Das öffentliche Leben weitestgehend lahm gelegt und auf ein Minimum reduziert, eine Vielzahl an Menschen im Homeoffice, Schulen wie auch Kindergärten (weitestgehend) geschlossen und beinahe jegliche Freizeitaktivität, wie auch soziales Miteinander im realen Leben untersagt. Nicht nur hierzulande. Fast überall – gleich wohin man den Blick wendet.

Neben Unsicherheiten, Sorgen und vielleicht auch Ängsten, neben der Herausforderung das tägliche Leben neu zu denken und zu gestalten und ganz anders, als bisher üblich zu meistern, stehen viele Eltern plötzlich vor einer noch ganz anderen, neuen und ungewohnten Herausforderung. Denn plötzlich soll – zusätzlich zum Homeoffice –  Bildung in den eigenen vier Wänden stattfinden. Plötzlich sollen Eltern jene Aufgaben übernehmen, die bis dato von Pädagogen und Pädagoginnen ausgeführt wurden. Pädagogen und Pädagoginnen, die sich natürlich ebenso in einer komplett neuen Situation wiederfinden und die vor der Herausforderung stehen, die Erwartungen zu erfüllen und dem Lehrplan gerecht zu werden. Irgendwie halt. Denn schließlich soll es weitergehen … gleich wie. 

Doch wie soll das funktionieren?
Oder besser gefragt: Wie KANN das funktionieren?

Fakt ist: Das vorherrschende Bildungssystem ist nicht darauf ausgerichtet, aus der Ferne zu begleiten. Ja es nicht einmal wirklich darauf ausgerichtet, dass junge Menschen sich ihr Wissen selbstbestimmt und eigeninitiativ, mit lediglich unterstützender Begleitung erarbeiten. Dazu ist es schlicht und einfach zu starr. Und zu sehr auf Frontalunterricht und Belehrung aufgebaut. Mit viel zu wenig Vertrauen in den jungen Menschen, seine Wissbegierde und sein Potential.
Schließlich und endlich wurde und wird nach wie vor davon ausgegangen, dass Lernen gelehrt werden muss und ohne Unterricht, Prüfungen und vor allem auch Beurteilungen so und so nichts oder nur unzureichend gelernt wird.
Das aber – gerade in der Situation – „Business as usual“ keine Option sein kann, sollte wohl allen klar sein. Und doch geschieht scheinbar genau das.

Dann eben Homeschooling …   
Homeschooling – scheint im Augenblick DIE LÖSUNG und plötzlich vollkommen selbstverständlich zu sein. Ein Bildungsweg, der vor wenigen Wochen noch die Gemüter hochgehen ließ und für Kopfschütteln gesorgt hat, ist nun in aller Munde. Plötzlich gehen ihn alle, diesen Weg (gewungenermaßen) und es scheint nicht der geringste Zweifel dahingehend zu bestehen, dass Eltern das können. Mehr noch scheint man interessanterweise davon auszugehen, dass Eltern Superkräfte haben und hier zusätzlich zu ihrem eigenen Arbeitspensum (schließlich und endlich sollen ja auch sie im HOMEOFFICE arbeiten) die lieben Kleinen zuhause unterrichten können. Nämlich so richtig unterrichten. Einfach so.
Nichts leichter als das, oder?.
(Vermeintliches) Homeschooling – in einer Situation, die einem Virus geschuldet ist – kann ja nicht so schwer sein … ODER?  

Doch mit Homeschooling (was hier im Augenblick wohl als Überbegriff für das Lernen zuhause verwendet wird), hat die aktuelle Situation eigentlich nichts zu tun! Ganz und gar nichts. Denn einmal abgesehen davon, dass Homeschooling nicht isoliert in den eigenen vier Wänden stattfindet, ist die Ausgangsituation IMMER eine andere. Ganz zu schweigen davon, dass das Leben ohne Schule auf ganz unterschiedliche und vielfältige Art und Weise gelebt wird.
Eines aber ist gewiss: Ganz egal ob nun lehrplanbezogen oder nicht – Bildung ohne Schule ist nicht nur so viel mehr, als in der aktuellen Situation gelebt werden kann, sondern auch so viel mehr als das schlichte Ausfüllen von Arbeitsblättern und Ausführen von Arbeitsaufträgen, die dann kontrolliert und bewertet werden.

Bildung zuhause bzw. freie Bildung, ist bunt, lebendig, vielfältig und vor allem von eigeninitiativem und selbstbestimmten Lernen in ALLEN Bereichen des Lebens geprägt. Sie wird von der ungebrochenen Begeisterungsfähigkeit der jungen Menschen, ihrer Wissbegierde und Freude am Tun, wie auch von der zurückhaltenden Begleitung der Erwachsenen getragen.
Lernen IST hier einfach. Und wird üblicherweise nicht als PFLICHT erlebt, die es zu erledigen gilt bevor man sich anderen Beschäftigungen zuwenden darf. Sondern als fortwährend stattfindender, natürlicher und selbstverständlicher Prozess, der einfach immer da ist und überall geschieht.

Anders, wäre es gar nicht möglich.
Anders, wären die innerfamiliären Spannungen viel zu groß und auf Dauer eigentlich nicht auszuhalten.
Und genau darin unterscheidet sich Bildung zu Hause vom schulischen Lernen.

Was aktuell aber versucht wird ist, jenes schulische Lernen einfach in den eigenen vier Wänden stattfinden zu lassen … und steuert damit unweigerlich in den Kollaps und die Krise.
Denn neben den eigenen Homeoffice-anforderungen auch noch dafür zu sorgen, dass die Kinder, die Lernen als Pflicht erlebt haben und es eigentlich nicht gewohnt sind eigeninitiativ und selbstbestimmt zu Lernen, ihre Berge von Arbeitsblättern ausfüllen und im Lehrstoff weiterkommen, ist in Wahrheit ein Ding der Unmöglichkeit und sicherlich nichts, was sich langfristig aushalten lässt.

Und auch wenn einige Schulen und Pädagogen den Erzählungen nach, einen ganz passablen Weg gefunden haben, Online-Unterricht anbieten und somit in enger Zusammenarbeit mit den Eltern eine entspannte Situation erschaffen (was im Grunde nur begrüßenswert ist), gibt es leider dennoch die vielen anderen Beispiele.
Beispiele von Eltern, die nicht mehr wissen, wo ihnen der Kopf steht, weil die Erwartung im Raum steht das der schulische Stundenplan weitestgehend eingehalten wird. Beispiele von Kindern, die demotiviert über einem Berg von Arbeitsblättern sitzen, der immer größer zu werden scheint und Beispiele von daraus resultierenden, angespannten Familiensituationen. Denn genau dort, in den Familien, beginnt es dann im Endeffekt zu kriseln. Genau dort bei den Eltern und oftmals auch nur bei den Müttern, bleibt der ganze Druck hängen. 
Und statt das Beste aus der Situation zu machen, statt einen Augenblick inne zu halten und einen anderen Weg / eine andere Herangehensweise zu versuchen, wird an Altem festgehalten und die Angst geschürt, dass es ja immerhin irgendwann weiter gehen muss und dann keine allzu großen Lücken im Wissensstand sein sollten …
 

Ist das ALLES?
Alles worum es gerade zu gehen scheint, in Bildungsfragen? 
Das Maßstäbe und Richtlinien erfüllt werden, die sich irgendjemand irgendwann einmal ausgedacht hat? Maßstäbe und Richtlinien, die vorschreiben auf welchem Wissensstand ein Kind im Schuljahr „sowieso“ zu sein hat und mit erhobenem Zeigefinger daran erinnern, das die derzeitige Lage nicht mit Ferien zu vergleichen sei und aus diesem Grund nicht zu viel versäumt werden sollte, weil sonst …
Ja, was eigentlich?
Sich die Aufnahmefähigkeit für Variablen und Gleichungen schließt? Buchstaben nicht mehr gelernt werden können? Fremdsprachen für immer fremd bleiben? Die Vererbungslehre nicht mehr verstanden werden kann? Länder, Hauptstädte und Kontinente zur Wissenslücke werden? Und die deutsche Grammatik ein einziges großes Fragezeichen bleibt?
Das sich für eine Vielzahl von jungen Menschen die Möglichkeit verschließt, einen schulischen Abschluss zu schaffen, einen Beruf zu erlernen oder sich auf ein Studium vorzubereiten?

Gleich ob virusbedingte Ausnahmesituation oder nicht, es gibt keine altersbezogene Obergrenze bis WANN etwas gelernt werden muss, damit es überhaupt gelernt bzw. begriffen wird. Und es gibt in Wahrheit auch nicht die Notwendigkeit sich in einem Schulkonstrukt zu befinden, damit überhaupt gelernt werden kann…. Obergrenzen und scheinbare Notwendigkeiten sind erschaffene Strukturen, an die geglaubt wird und die im Endeffekt Druck aber auch Unsicherheit erzeugen.

ABER: Sollten jetzt vorrangig nicht ganz andere Dinge wichtig sein, als Eltern Druck und Stress zu machen?
Hätten wir nicht gerade JETZT, bedingt durch die aktuelle Situation und die damit einhergehende Notwendigkeit, das sich alle Kinder zuhause befinden, die CHANCE und MÖGLICHKEIT wirklich nachhaltig etwas in einem veralteten und festgefahrenen Bildungssystem zu verändern? Und vielleicht sogar zu erkennen, das Lernen auch anderes möglich ist?
Hätten wir nicht gerade jetzt die ZEIT und den RAUM jungen Menschen ihre Begeisterungsfähigkeit für das LERNEN wieder zu geben bzw. es ihnen zu bewahren und es ihnen dadurch wirklich zu ermöglichen IHR individuelles Potential zu finden und zu entfalten?

Und wäre nicht genau jetzt der richtige Zeitpunkt loszulassen und zu erkennen, dass LERNEN immer IST und wir schlicht und einfach nur den Raum schaffen und zurückhaltend begleiten müssen?

Im Endeffekt müssten wir es nur tun. Wir müssten nur den Mut haben, alte Muster aufzubrechen und Neues zu wagen. Für uns und vor allem für die jungen Menschen.
Denn Bildung und Lernen ist so viel MEHR …

Kommentare: 4

  1. Brigitte sagt:

    Hallo liebe Lini, ich habe schon auf deinen Beitrag gewartet-vielen Dank, ich kann dein denken nur unter streichen.

  2. Danke für diese inspirierenden Gedanken, Lini!

  3. Jeder kann Kindern seine Kompetenzen online anbieten.

    Zum Beispiel biete ich Drechseln an.

    Wir verbinden uns über Skype oder WhatsApp.

    Mich sieht man dann an der Drechselmaschine.

    Das Kind möchte einen Kerzenständer haben und beschreibt mir die Form.
    Beim Drechseln höre ich die Anweisungen, weil das Kind nun den Drechselvorgang genau verfolgen kann.

    Das Kind lernt beim Zuschauen, ohne handwerklich direkt am Herstellungsprozess beteiligt zu sein.
    Ist der Kerzenständer fertig, kann man ihn bei mir abholen oder bestellen. Zur Terminvereinbarung bitte anrufen.

    http://www.visitenkarte.edeju.de

  4. Danke für diese ehrlichen und so wichtigen Gedanken. Einfach auf den Punkt gebracht.

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